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Der menschliche Aspekt beim Umgang mit den digitalen Medien ist wichtiger denn je!

Wenn man von Bildung im digitalen Zeitalter spricht, sollte das eigentliche Ziel nicht nur die Aufwertung der Ausstattung von Schulen sein, sondern vielmehr die Förderung und der Ausbau digitaler Kompetenzen von Lehrern und Schülern.

Da die Ausstattung, die Apps, die Programme und die Möglichkeiten der neuen Medien grundsätzlich schnelllebig sind, sind sie bei Anwendung oftmals schon veraltet. Dewegen ist es wichtiger, in die Menschen zu investieren, die sich den verändernden Bedingungen anpassen können, damit klarkommen und bereit sind, auch selber umzulernen. Das heißt: Nicht nur die Programme und Geräte müssen "upgedatet" werden, sondern auch das Wissen und Können.

In Estland ist die digitale Kompetenz eine der acht Schlüsselkompetenzen, die im Curriculum fächerübergreifend eingebaut sind. Das heißt: Alle Lehrer müssen sich im Unterricht mit dem Thema auseinandersetzen, und dadurch sind sie auch gefordert, sich die Möglichkeiten der neuen Medien anzueignen und für die Lernprozesse im Alltag zu verwenden. Nur dann können sie diese Kompetenzen auch den Schülern vermitteln.

Seit November 2018 sind in Estland dank des Bildungs- und Forschungsministeriums alle Schulbücher in digitalisierter Form für die erste bis neunte Klasse zugänglich. Das bedeutet: Die Schüler haben Zugriff auf die Materialien, auch wenn sie diese nicht im Rucksack dabeihaben. Einerseits erleichtert es den Schulranzen, anderseits kann man dann wirklich überall lernen. Die Lehrer können die Bücher verschiedener Verlage vergleichen und immer die besten Materlialien für die konkreten Themen im Unterricht aussuchen.

Digitale Kompetenz bedeutet, dass man die Technologie für die eigenen Lern- und Arbeitsprozesse zielgerecht verwenden kann. Dass man als Bürger und als Teil der Community die Möglichkeiten der Kommunikation und die E-Services benutzt. Das man Informationen suchen, finden und auswerten kann. Darunter versteht man auch, dass man selber digitale Materialien – angefangen bei einem Lernvideo zur Struktur der Schneeflocken über ein 3D-Design für geometrische Formen bis hin zu Hologrammen, die die Wellenformen in Physik aufzeigen können – herstellen kann und sich auch mit dem Copyright auskennt. Dass man die richtigen und besten Anwendungen für konkrete Aufgaben aussuchen und mit verschiedenen Platformen arbeiten kann.

Auch die digitale Hygiene darf nicht zu kurz kommen. Das bedeutet, dass ein Benutzer seine Daten, seine digitale Identität und Geräte schützen und pflegen kann. Er muss über die Gefahren Bescheid wissen und sich auch in der virtuellen Welt an die ethisch-moralischen Grundsätze halten. Digitale Hygiene bedeutet auch, auf die Gesundheit zu achten, um Spielsucht und dem "Fear-of-Missing-Out Syndrom" (der Angst, etwas zu verpassen) vorzubeugen. Geistig mit dem Informationsüberfluss beim Arbeiten mit diesen Medien klarzukommen, ist genauso wichtig wie das tägliche Zähneputzen.

Natürlich ist es schön, wenn die Lehrer dank der digitalen Möglichkeiten Zeit und Energie sparen können. Da sie Feedback in Echtzeit bekommen, wissen sie im Unterricht, wem man Zusatzaufgaben geben kann und wer Nachhilfe benötigt. Beim Prozess des personalisierten Lernens profitiert der Lehrer von den Daten, die ihm zu den einzelnen Klassen und Themen zur Verfügung stehen.

Aber zum personalisierten Lernen gehören ebenso die persönliche Fürsorge, die Motivationspflege, das Aufheitern und Trösten, die Geduld beim Erklären und natürlich Empathie. Das bedeutet: In einer digitalisierten Welt brauchen wir vor allem Menschen, die neugierig sind, um Neuland zu entdecken, aber auch soziale Kompetenzen haben, über die diese digitalen Kompetenzen vermittelt werden. Der menschliche Aspekt beim Umgang mit den digitalen Medien ist wichtiger denn je! Das ist das, was uns von der Technik (noch) unterscheidet. Es ist die Existenzgarantie aller Lehrer auch in Zukunft.

In Estland ist die digitale Kompetenz eine der acht Schlüsselkompetenzen, die im Curriculum fächerübergreifend eingebaut sind.

Foto: privat

Autor des Beitrags:
 
Kaarel Rundu
Schulleiter des Tallinna Saksa Gymnasiums in Tallinn (Estland)