Future Skills
Meinungen

Future Skills brauchen Unterstützer an den Hochschulen

Future Skills haben (noch) zu wenig Unterstützerinnen und Unterstützer an den Hochschulen – Future Skills brauchen jedoch eine Lobby, um strukturiert in (Hochschul-)Organisation, Curriculum und Lehre integriert zu werden. Die Gründe für diese Situation sind vielfältig:

  • Der Stellenwert: Auf Grund ihrer quer zu Fachdisziplinen liegenden Struktur lassen sich Future Skills nicht in der tradierten Struktur von Hochschulen verorten. Diese Struktur prägt jedoch Sichtweisen und Entscheidungsprozesse an Hochschulen. Dies führt dazu, dass die Wahrnehmung der Wichtigkeit von Future Skills deutlich geringer ist als die von fachlichen Inhalten. Als Konsequenz fällt das Thema in Diskussionen um Ressourcen und ECTS-Anteile im Curriculum oft unter den Tisch. Das führt zu einem Lippenbekenntnis der Bedeutung der Thematik in Leitbildern und Studiengangskonzepten, die sich aber meist nicht mit der Lehrrealität deckt.
     
  • Die Umsetzung: Die Bedeutung der den Future Skills verwandten (und zum Teil deckungsgleichen) Schlüsselkompetenzen hat an den Hochschulen in den letzten Jahren zugenommen. Jedoch hinkt die Professionalisierung der Lehre in diesem Bereich anderen Fächern weit hinterher. Schaut man sich durchschnittliche Modulhandbücher an, sind normale Lehrende in der Verantwortung, diese Bereiche "nebenher" in ihre Module zu integrieren. Ob die notwendige Qualifikation der Lehrenden und passende didaktische Konzepte vorhanden sind, wird nicht weiter diskutiert. Diese Problematik tritt auch oftmals auf, wenn die Lehre in diesem Bereich an Lehrbeauftragte outgesourced wird. Qualitativ hochwertige Lehre braucht hochqualifizierte (hauptamtliche) Lehrende. Professuren für Future Skills oder Schlüsselkompetenzen an deutschen Hochschulen lassen sich jedoch an zwei Händen abzählen, und passende Austausch- und Weiterbildungsangebote für Lehrende existieren nur in bescheidenem Umfang.
     
  • Fehlende Vernetzung: Die drängenden Fragen sind für alle Hochschulen ähnlich: Wovon/wie leiten wir die in das Curriculum zu integrierenden Future Skills ab? Wie lassen sich diese Kompetenzen in das Curriculum integrieren? Welche didaktischen Konzepte unterstützen den Kompetenzerwerb in den verschiedenen Bereichen am besten? Jedoch fehlt eine Fachcommunity, in der Austausch und Forschung zu diesen Fragen stattfindet. Einzelne Aspekte werden zwar in einzelnen Fachcommunities und -gesellschaften zum Teil diskutiert, es fehlt jedoch die Zusammenführung und Vernetzung unter dem gemeinsamen Thema Future Skills. Diese ist jedoch notwendig, um kohärente Konzepte und Ansätze entwickeln zu können.

 
Wie könnte ein Ansatz aussehen, die skizzierte Situation zu verbessern? Die AG Curriculum 4.0 des Hochschulforums Digitalisierung hat die Idee einer "Future Skills Agentur" ins Spiel gebracht: Eine bundesweit agierende Agentur als Trägerin von Expertenwissen und -communities, die dazu beiträgt, den Erfahrungstransfer zwischen Hochschulen zu befördern, gezielt Hochschulen zu unterstützen und die Qualität der Kompetenzvermittlung zu erhöhen. Folgende Aufgaben könnte eine solche Agentur erfüllen um die oben beschriebenen Probleme zu adressieren:

  • Unterstützung der Bildung von Experten-Communities zum Thema Future Skills, die hochschulübergreifend verschiedene Fragestellungen adressieren und Diskurse organisieren. Das dort gesammelte kollektive Expertenwissen könnte dann niedrigschwellig und reichweitenstark verfügbar gemacht werden, um eine Co-Innovation von unterschiedlichen Akteuren zu gewährleisten. Hierbei würde explizites und implizites Wissen zusammengeführt und "Out-of-the-Box"-Denken aktiv unterstützt.
     
  • Erhöhung der Sichtbarkeit passender Lehr-Lern- und Personalkonzepte (zum Beispiel spezifische Denominations-Konzepte, kooperative Zusammenarbeit mit Gastdozierenden aus Wirtschaft und Gesellschaft): Die Agentur sollte Strukturen entwickeln, wie solche Konzepte für die Breite sichtbarer gemacht und unterstützt werden können. In diese Strukturen sollten Peers sowie auch die Fachgesellschaften eingebunden werden.
     
  • Beratung, Vernetzung und Benchmarking von Hochschulen zum Thema Kompetenzerwerb von Future Skills auf strategischer und Curriculumsebene
     
  • Vertretung des Themas auf (hochschul-)politischer Ebene: Beratung von Fachgesellschaften, hochschulpolitischen Organisationen, Stiftungen und Akkreditierungsorganisationen bei der Integration und Adressierung von Future Skills in ihrer Arbeit
     
  • Als mittelfristiges Ziel: Entwicklung eines Kompetenzrahmens im Bereich der Future Skills für Hochschulen unter Einbeziehung aller betroffenen Stakeholder (Hochschulen, Forschung, Zivilgesellschaft, Wirtschaft)

 
Mit einer solchen Agentur könnte der Stellenwert der Future Skills in den Hochschulen und in der öffentlichen Debatte gestärkt werden. Die Agentur könnte selbst als "Lobby" für eine Stärkung der Future Skills Ausbildung auftreten und gleichzeitig durch ihre Arbeit dazu beitragen, Unterstützer für Future Skills an einzelnen Hochschulen zu fördern.

Die Bedeutung der den Future Skills verwandten (und zum Teil deckungsgleichen) Schlüsselkompetenzen hat an den Hochschulen in den letzten Jahren zugenommen. Jedoch hinkt die Professionalisierung der Lehre in diesem Bereich anderen Fächern weit hinterher.

Tobias Seidl
Foto: privat

Autor des Beitrags:
 
Prof. Dr. Tobias Seidl
Prodekan und Inhaber der Professur für Schlüssel- und Selbstkompetenzen an der Hochschule der Medien Stuttgart

Co-Autoren:
 
Prof. Dr. Antje Michel, Professorin für Informationsdidaktik und Wissenstransfer an der Fachhochschule Potsdam
Priv.-Doz. Dr. med. Sebastian Kuhn, Angehöriger der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz