Personalabteilungen können heute schon bei der Personalauswahl auf neue technische Möglichkeiten zurückgreifen, die einen wesentlich größeren Automatisierungsgrad erreichen. Sie können das bestehende Portfolio von Auswahlinstrumenten ergänzen und auch Fähigkeiten erfassen, die bisher kaum im Rahmen von Auswahlprozessen zu beurteilen waren. Computergestützt werden fundierte Entscheidungen für oder gegen Kandidaten möglich. Das erleichtert Personalabteilungen die Auswahl der Mitarbeiter, die über den zukünftigen Erfolg mitentscheiden. Diese Entwicklungen sind schon heute in der Praxis zu beobachten: Vor allem in den Bereichen Programmieren und Webentwicklung sind Code Challenges und Live Coding Tests mittlerweile Standardelemente im Auswahlverfahren.
Der Trend zur Automatisierung der Auswahlinstrumente schlägt sich auch in unseren Analysen nieder: Wie die Umfrage unter 607 deutschen Unternehmen zeigt, werden digitale Auswahltests, Spiele und Plattformen wie LinkedIn oder GitHub in den nächsten Jahren an Relevanz gewinnen. Heute nutzt nur knapp jedes siebte Unternehmen digitale Auswahltests und -spiele, in fünf Jahren wird es jedes vierte sein. Jedes dritte Unternehmen wird Bewerberprofile auf Skill-Plattformen analysieren.
Bei den Großunternehmen sind die Zahlen sogar noch höher: Jedes zweite (52 Prozent) wird in Zukunft auf diese Auswahlinstrumente setzen. Selbst wenn sie ausschließlich für Akademiker zum Einsatz kommen, werden in fünf Jahren jährlich rund 280.000 Einstellungen mit Unterstützung von Online Tools vorgenommen werden.
Hinweis: Die Onlineplattform Klout hat seit dem 25. Mai 2018 ihre Dienste eingestellt. Zum Zeitpunkt der Erstellung der vorliegenden Studie war Klout dagegen noch aktiv und ein Zugriff möglich.
Jedes zweite Unternehmen wird in Zukunft Vorstellungsgespräche digital durchführen. Dafür dürfte vor allem die zunehmende Internationalisierung der Personalrekrutierung verantwortlich sein. Aber auch klassische Verfahren wie Assessment-Center (+33 Prozent) und die automatisierte Vorauswahl von Bewerbern auf Basis eingereichter Unterlagen (+30 Prozent) nehmen deutlich an Bedeutung zu, während analoge Vorstellungsgespräche (-15 Prozent) weniger wichtig werden. Die bestehenden Methoden der Personalauswahl sind und bleiben also wichtig. Die Digitalisierung ermöglicht es in erster Linie, mehr Kontextinformationen über Bewerber zu sammeln und diese auf Basis digitaler Instrumente automatisch auszuwerten.
Doch wie können diese neuen digitalen Instrumente konkret dazu beitragen, die Future-Skills-Herausforderung zu lösen? Für die Rekrutierung von Tech-Spezialisten gewinnen Job-Matching-Plattformen zunehmend an Bedeutung, die auf dem amerikanischen Markt bereits in großer Zahl vertreten sind und gezielt auf den Nachweis von technologischen Fähigkeiten zielen. Bei überfachlichen Qualifikationen (unternehmerisches Handeln, Adaptionsfähigkeit, Kollaboration) können Gamification-Elemente die Rekrutierung deutlich verbessern.
Plattformen wie zum Beispiel Portfolium ermöglichen es den Nutzern, mit geringem Aufwand Arbeitsproben auf die Plattform zu laden, etwa Hausarbeiten oder Projektarbeiten. Diese Einträge werden anschließend automatisch analysiert und mit Informationen über eingetragene Berufserfahrungen und die hierbei erworbenen Fähigkeiten verknüpft. Durch ein systematisches Matching dieser Millionen von Nutzerprofilen mit veröffentlichten Stellenausschreibungen ergeben sich umfangreiche technische Qualifikationsprofile, auf deren Basis einzelne Kandidaten mit geeigneten Unternehmen in Kontakt gebracht werden können. Vor allem im Bereich der technologischen Fähigkeiten können spezialisierte Skill-Plattformen die Identifikation und Rekrutierung von Experten erleichtern und verbessern.
Daneben werden auch Plattformen wichtiger, die zwar nicht das oben beschriebene Matching vornehmen, aber dennoch auf den Nachweis von Fähigkeiten fokussiert sind: So beurteilt der Klout Score des gleichnamigen (inzwischen nicht mehr aktiven) Onlinedienstes die Reichweite und Wirkung der Social-Media-Aktivitäten einer Person. Diese Informationen ermöglichen HR-Abteilungen eine erste Einschätzung der Eignung dieser Person für spezifische Jobs mit Bezug zu Social-Media-Marketing. Im Bereich IT hat sich mittlerweile mit GitHub eine Standardplattform für Arbeitsreferenzen etabliert. Die befragten Unternehmen sehen in diesen Arbeitsproben und Referenzen einen wichtigen Nachweis von Fähigkeiten, während die Bedeutung von Hochschulabschlüssen als Qualifikationsnachweis für IT-Jobs allmählich zurückgeht. Der Mehrwert, der von den beschriebenen Plattformen ausgeht, liegt also in der mit wenig manuellem Aufwand verbundenen Einschätzung der Fähigkeiten eines Kandidaten. In vergleichbarem Umfang wäre dies allein auf der Basis der Analyse einer klassischen Bewerbung mit Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnissen nicht möglich, sodass mit der Verbreitung dieser Plattformen ein deutlicher Transparenzgewinn über Qualifikationsprofile für Unternehmen verbunden ist.
Weiteres digitales Rekrutierungspotenzial besteht auch durch die Anreicherung fachlicher Auswahlinstrumente um Gamification-Elemente: Diese spielerischen Ansätze bieten besondere Möglichkeiten, die überfachlichen Fähigkeiten von Kandidaten automatisiert zu beurteilen. Sie schaffen es zudem, durch spielerische Aufgabenstellungen konkrete Praxissituationen zu simulieren und die Bewerber bei der Suche nach Lösungen zu beobachten. Ein prominentes Beispiel für den Gamification-Ansatz im Bereich klassischer überfachlicher Skills ist das Spiel „Wasabi Waiter“ des Silicon Valley Start-ups Knack. Hier schlüpfen Spieler in die Rolle eines Kellners, der dafür sorgen muss, dass das Sushi rechtzeitig auf dem Tisch steht, neue Gäste einen Platz finden, Teller gespült sind und Ordnung gehalten wird. Über einen Algorithmus wird aus den Daten, die während des Spiels erfasst werden, ein individuelles Qualifikationsprofil erstellt, beispielweise zu Problemlösungsfähigkeit, Kreativität, sozialer Intelligenz und Selbstkontrolle. Das Spiel kann, entsprechend angepasst, für die Auswahl von Kandidaten in einer Vielzahl von Bereichen eingesetzt werden.
Die Analyse zur Nutzung digitaler Tools für die Personalauswahl ist Teil eines vom durch den Stifterverband und McKinsey gemeinsam erarbeiteten Diskussionspapiers, das im November 2018 erschienen ist: Wie Future Skills die Personalarbeit verändern.